In den Nachrichten und den sozialen Medien überschlagen sich die Meldungen über den Zahnarzt aus Minnesota, der den beliebten Löwen Cecil im Hwange Nationalpark in Simbabwe mit einem Pfeil erst angeschossen und in einer 40-stündigen Hetzjagd letztendlich erlegt hat.

Shitstorms in unglaublichen Ausmaßen und Proteste vor der Praxis des Zahnarztes sind die Folge auf das Geschehene, ebenso die wiederaufkommende Diskussion über die Praxis des Jagdtourismus, die mittlerweile mit verhärteten Fronten ausgetragen wird. Die Gegner des Jagdtourismus, die diese unmenschliche Praxis am liebsten sofort abschaffen würden, stehen den Befürwortern gegenüber, die Jagdtourismus als DAS Werkzeug für den Naturschutz sehen.

Und so schlimm und verkehrt der Tod des Löwen Cecil war, ist die Welt leider trotzdem nicht in schwarz und weiß aufzuteilen und Ökotourismus nicht der gute und Jagdtourismus der schlechte Tourismus.

Ein prächtiges Exemplar, wie der getötete Löwe Cecil

Ein prächtiges Exemplar, wie der getötete Löwe Cecil

Während meiner Zeit in Botswana und später auch in meinem Studium wurde ich häufig mit diesem Thema konfrontiert und habe ich mich in Naturschutzseminaren weiter damit beschäftigt. Da ich selbst noch keine wissenschaftliche Arbeit darüber geschrieben habe (vielleicht ja als Masterarbeit? 😉 ), kann ich daher nur auf die Fakten aus den wissenschaftlichen Papers vertrauen, die ich gelesen habe, und auf die Aussagen verlassen, die ich in Botswana von involvierten Personen bekommen habe.

Um nun aber zum Thema zu kommen:

Wieso finde ich, dass Hunting Tourismus ein Segen sein kann?

Wie kann man eine so perverse Praktik auch noch gutheißen, die gefährdete, teils vom Aussterben bedrohte Tiere wissentlich und willentlich abschießen lässt?

Um das zu erläutern, würde ich zunächst gerne ein paar Zahlen und Fakten darstellen: Trophäenjagd oder Hunting Tourism ist derzeit in 23 Ländern in Afrika erlaubt (vielleicht auch nur noch 22 Länder, da Botswana diese Praktik 2014 verboten hat).

Schätzungen gehen davon aus, dass Einnahmen von mindesten 200 Mio. $ pro Jahr generiert werden und jeder Kunde im Schnitt 18.500 $ ausgibt. Über 1,4 Mio. km² dienen als Jagdgebiet und übersteigen damit die Fläche von Nationalparks um 22%. Das Land mit der größten Jagdindustrie ist Südafrika, dicht gefolgt von Tansania.

Aus diesen Fakten lässt sich bereits folgern, dass Jagdtourismus allein von der Flächengröße als auch wirtschaftlich eine große Bedeutung für die afrikanischen Länder hat.

Ein Oryx beim Game Drive beim Modisa Wildlife Project

Flächenmäßig noch vor Nationalparks: Jagdtourismus

Soweit zu den Fakten. Aber wieso, um Himmels willen, soll Jagdtourismus gut für den Naturschutz sein?

Argumente für Jagdtourismus

Um den Konflikt zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass viele der Wildtiere in Afrika außerhalb von Schutzgebieten und Nationalparks vorkommen. Die Menschen, die dort leben, müssen sich also zwangsläufig den Platz mit den Wildtieren teilen. Wo es bei Antilopen und kleineren Wildtieren vielleicht kein Problem ist, ist es bei den Großkatzen und großen Wildtieren, wie Elefanten, umso problematischer.

Die Tiere und Menschen sind in einem Gebiet Konkurrenten um den Platz sowie um die begrenzten Ressourcen. Elefanten zum Beispiel zerstören auf der Suche nach Nahrung die Felder der Bauern und damit ganze Jahresernten und Existenzgrundlagen der Menschen. Raubtiere erlegen die teuren Rinder und Haustiere und können Menschen natürlich auch körperlich angreifen und somit schädigen.

Die zerstörerischen Kräfte eines Elefanten sind nicht zu unterschätzen

Die zerstörerischen Kräfte eines Elefanten sind nicht zu unterschätzen

Die Menschen, die also in engem Kontakt mit den Wildtieren leben, haben meistens davon wenig Vorteile und aus diesem Grund kommt es häufig zu Tötungen (legal oder illegal). Die Tiere werden getötet, um als Nahrung zu dienen, um ihre Produkte zu verkaufen (Stichwort Nashorn- und Elfenbein-Wilderei) oder ganz einfach, weil sie als gefährliche Raubtiere deklariert wurden und somit zum Abschuss freigegeben sind.

Dies ist ein Fakt, der in vielen Diskussionen häufig nicht erwähnt wird, da er vielleicht unbekannt ist oder einfach nicht so gut ins Bild passt:

In vielen Ländern Afrikas (unter anderem auch Botswana nach dem Verbot des Jagdtourismus!) ist es außerhalb von Schutzgebieten erlaubt, Raubtiere ohne vorherige Genehmigung zu töten, sofern sie die Lebensgrundlage der Menschen gefährden. Wenn also ein Farmer auf einer Rinderfarm ein Löwenrudel hat, wird er nicht abwarten bis er die ersten Verluste seiner Rinder erleidet, sondern vielleicht versucht er das Rudel zu vertreiben oder einzufangen, aber am ehesten greift er zur Waffe oder zum Giftköder, um sich diesem Problem zu entledigen!

Jagdtourismus kann an dieser Stelle ansetzen und den Wildtieren einen monetären Wert geben und somit einen Anreiz schaffen, die Tiere auf einem gemeinsamen Gebiet zu dulden.

Valentin, der Gründer des Modisa Wildlife Projects, erzählte uns damals von einem ihm bekannten Farmer in Botswana, der häufig mit sogenannten „Problemlöwen“ zu tun hat, die aus dem angrenzenden Schutzgebiet hin und wieder auf seine Farm kommen. Anstatt die Löwen zu töten und somit die Verluste der Rinder zu verhindern, akzeptierte der Farmer sie auf seinem Land, da einmal im Jahr ein Jagdtourist kam, der für viel Geld (mehr als die Verluste seiner Rinder allemal) einen Löwen geschossen hat.

Was nun mit solchen Löwen passiert, nachdem der Jagdtourismus letztes Jahr in Botswana verboten wurde, kann ich nicht sagen. Doch ich kann mir schwer vorstellen, dass Touristen auf eine Rinderfarm kommen, um die Löwen zu fotografieren und somit dem Farmer seine Verluste der Rinder aufzuwiegen.

Afrikanische Wildhunde beim Modisa Wildlife Project

Auch die extrem seltenen Afrikanischen Wildhunde sind häufiges Ziel der Farmer

Auch gibt es in vielen Ländern Gebiete, die einfach landschaftlich nicht geeignet sind für Fototourismus, da sie beispielsweise dicht bewachsen sind und somit schlechte Sicht auf die Tiere bieten oder es generell wenig Wildtiere gibt. Um solche Gebiet überhaupt wirtschaftlich nutzen zu können (und darum geht es ja leider fast immer), können sie nun entweder als Farmland genutzt werden und somit sämtlichen ökologischen Wert verlieren oder als Gebiet für Jagdtourismus und somit eher noch für den Naturschutz genutzt werden.

Zum Beispiel in Namibia und Südafrika ist Hunting Tourismus einer der „key stimulants“ bei der Umwandlung von Farmland in Game Ranches mit einer Rate von mittlerweile 5.000 km² im Jahr. Das liegt vor allem auch daran, dass Jagdtourismus weniger Kunden hat (somit werden weniger Lodges benötigt und weniger Infrastruktur = besser für die Natur), aber ein höheres Einkommen verspricht. Das geht sogar so weit, dass in Tansania von 14 mal höheren Einnahmen als bei Ökotourismus die Rede ist.

Die Game Farm des Modisa Wildlife Project

Weniger Touristen und mehr Einkommen = besser für die Natur?

Doch nichtdestotrotz möchte ich euch auch die negativen Aspekte des Jagdtourismus beleuchten, denn so schön und so einfach, wie es sich in der Theorie anhört, ist es leider nicht.

Argumente gegen Jagdtourismus

Auf der einen Seite steht da natürlich die ethische Fragwürdigkeit.

Denn hat nicht jedes Lebewesen das Recht auf sein Leben? Wie kann man es da menschlich verantworten, dass Tiere, die zum Großteil auch noch gefährdet sind, absichtlich getötet werden, nur um damit Gewinn zu machen? Von den absolut perversen Praktiken, wie zum Beispiel dem „Canned Hunting“, den speziellen Zuchtfarmen für Tiere nur zum Abschuss oder der Jagd mit Hunden möchte ich gar nicht reden, denn diese sind ethische in keinster Weise korrekt.

Auf der anderen Seite des Problems steht da noch die Korruption.

Die Geld- und Machtgier mancher Menschen, die vor allem manchmal in Afrika recht zügellos erscheint, ist auch der Grund für den tragischen Tod des Löwen Cecil in Simbabwe. Der Löwe lebte schließlich in einem Nationalpark und war damit vor einem Abschuss geschützt.

Wie so eine Jagd also ohne jegliches Wissen von Mitarbeitern des Nationalparks heimlich stattgefunden haben soll, finde ich fragwürdig.

Zusätzlich gehen die Einnahmen des Jagdtourismus natürlich nicht direkt in die lokalen Communities, die dadurch also miteinbezogen werden und so profitieren könnten, sondern wahrscheinlich zum Großteil an den Veranstalter dieser Jagdreisen.

Zum anderen sind die Quoten für den Abschuss schwer nachzuvollziehen.

Natürlich ist es schwer, genaue Zahlen für die absoluten Bestände von Tieren zu ermitteln, vor allem in Ländern mit schlechter Infrastruktur und wenig verfügbarem Geld, aber häufig scheinen die Abschussquoten doch ungewöhnlich hoch. Besonders bei gefährdeten Tieren sollte die Prämisse gelten, eher weniger Exemplare zum Abschuss freizugeben, doch die Aussicht auf viel Geld verschleiert da vielleicht manchem dem Blick auf die Realität.

Aus ökologischer Sicht ist es natürlich auch verheerend immer die schönsten und prächtigsten Exemplare zum Abschuss freizugeben, da so die Arten ihre genetisch fittesten Individuen verlieren und damit die Populationen genetisch geschädigt werden.

Die Löwen des Modisa Wildlife Projects
Die schönsten Exemplare zum Abschuss freigeben? Genetisch keine gute Idee

Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zu meiner eigenen Meinung verlieren:

Ich stehe dem Hunting Tourismus zwiegespalten gegenüber.

Zum einen sehe ich schon Vorteile für den Naturschutz, die andere Formen von Tourismus derzeit noch nicht bieten können – vor allem natürlich die hohen Einnahmen, die dadurch generiert werden und die Nutzbarkeit in Gegenden, die ansonsten höchstens noch als Farmland nutzbar wären.

Zum anderen finde ich die Vorstellung pervers, wie sich jemand so daran ergötzen kann, andere Lebewesen zu erschießen – um es mit den Worten von Jimmy Kimmel auszudrücken: „Is it that difficult for you to get an erection that you need to kill things?“ Ich selber bin die letzte Person, die es gutheißt, wenn Tiere getötet werden, noch dazu gefährdete, aber man muss immer den großen Zusammenhang sehen.

Modisa_Botswana_Tiere_Nacht

Weder schwarz noch weiß, weder gut noch böse… Es bleibt ein Dunst über der Frage

Und damit sind wir wieder beim Anfang der Geschichte, die sich leider nicht genau in schwarz oder weiß teilen lässt, sondern eher in 50 shades of gray und jede Form von Hunting Tourismus in jeder Gegend, in jedem Land und für jedes Tier eine andere Nuance von Grau annimmt.

Bevor man vorschnell urteilt und jeder schreit: „Knast für den Zahnarzt!“, sollte man sich die (wissenschaftlichen) Fakten anschauen und am besten selbst eine Meinung darüber bilden. Die kann ich keinem vorgeben, aber einen kleinen Denkanstoß konnte ich hoffentlich liefern.

Was denkt ihr darüber?

Ich freu mich über eure Meinungen und auch wenn eine kleine Diskussion entsteht. Also, wenn ihr was zum Thema zu sagen habt, dann raus damit!

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3 Responses

  1. Leon

    Das sind echt interessante Fakten, natürlich vor allem die Zahlen und Argumente für die Jagd – Ich habe diese ganze Sache immer sehr negativ gesehen, für mich gab es rein gar nichts positives an dieser Jagd, das lag aber wohl auch in erster Linie dadran, dass ich schlicht weg nicht genug informiert war.

    Natürlich ist diese Jagd nicht gut, auf keinen Fall, es überrascht aber schon, wie einseitig die Berichterstattung ist.
    Alle meinen immer das einige Nachrichten Sender sehr oft konservativ beeinflusst wird, ich würde aber mal behaupten, dass hier das komplette Gegenteil der Fall ist. Naja. Zugegeben, es ist nicht grade einfach zu sagen: „Hey, der Kerl ist zwar ein ziemlich großes Arschloch, letztendlich hat die ganze Sache aber nicht nur negative Effekte“.
    Es ist wohl einfacher sich da auf die vermeintlich „gute Seite“ zu stellen und alles in schwarz-weiß zu malen damit man die Masse an Konsumenten nicht mit komplizierten Zahlen überfordert -.-

    Antworten
  2. Klaus Reuss

    Hallo Karina,
    interessanter Artikel! Aber gibt es denn keine besseren Möglichkeiten? Wie wäre es z.B, mit Prämien oder Patenschaften für Dörfer, die gefährdete Tiere auf ihren Territorium schützen?
    LG Klaus

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